Fantasian: Handgebaute Kulissen für ein 3D-Spiel - PC-WELT

2022-10-08 21:26:56 By : Mr. Bradley He

Eines Abends saß Hironobu Sakaguchi in seinem Atelier und dachte an seine Kindheit. An eine TV-Serie, in der die komplette Welt aus Dioramen gebaut war. Von Hand. Aus Holz. Das inspirierte den Schöpfer von Final Fantasy, der das Handwerk so sehr liebt, wie die virtuelle Kunst: „Es entspannt mich. Ich habe schon immer gerne an Modellen gebaut, als Kind. Aber auch heute noch“, erzählt er im Interview. „Ich müsste da eigentlich…“, Sakaguchi steht auf, sucht in einem riesigen Schrank in seinem Büro und präsentiert Holz-Modelle eines Chocobo, jenes putzigen Riesen-Vogels mit sonnengelbem Gefieder, auf dem wir in Final Fantasy oft geritten sind. Diese Liebe zum Modellbau inspirierte ihn zu Fantasian, dem wohl aufwändigsten Spiel, das je für Apple Arcade entwickelt wurde. Denn jedes Haus, jede Tür, jeder Stuhl, wirklich jedes kleinste Objekt in diesen Welten wurde von seinem eigenen Studio Mistwalker (Lost Odyssey, Blue Dragon) per Hand modelliert, in der Realität gebaut und dann via Fotogrammetrie in das Spiel transferiert.

Voller Stolz präsentiert Sakaguchi ein Schloss, mit einer schneeweißen Wendeltreppe und aufwändig modelliertem Bett mit vielen Intarsien. „Die Schränke lassen sich öffnen und sogar dieser kleine Spiegel hier umklappen. Der blaue Teppich besteht aus einem dünnen Filz. Wir benutzen sehr dezentes Post-Processing, weil wir diesen handgebauten Look nicht ruinieren wollten. Es soll sich anfühlen wie echte Fasern, nicht virtuelle.“ Fantasian ist ein faszinierendes Spiel und eine wundervolle Welt, die hier entstanden ist. Dieses Schloss sieht aus wie ein virtuelles Puppenhaus mit hunderten kleinen Elementen: Beistelltische, Lampen, Bücher, Kerzenhalter. Blumen. Eine Sitzbank ist nicht viel größer als ein Fingernagel und musste mit einer Pinzette in diese Welt eingesetzt werden. Ich erzähle dem Erfinder von Final Fantasy davon, dass mich sein Spiel an meine eigene Kindheit erinnerte, als ich mit meinem Papa aufwändig ausgestattete Holzburgen für meine LEGO-Soldaten baute. „ Ja genau, daran können wir uns sicherlich alle gut erinnern. Es hat mich dazu inspiriert, den Status-Quo von Games in Frage zu stellen. Warum sollte immer alles nur virtuell entstehen?“

Was besonders begeistert an Fantasian ist, dass sich das Spiel auch wirklich so anfühlt, als würde man als kleine Figur durch eine handgebaute Welt streifen. Sakaguchis Team hat viel Liebe investiert in diese zahlreichen Gebäude, die Tabletop-Spielern Tränen der Freude in die Augen treiben dürfte: Da gibt es ganze Paläste, aber auch Gärten, in denen Gras und Blumen per Hand gesetzt wurden. “Tokusatsu” nennt sich die Kunstform reale und virtuelle Welt verschmelzen zu lassen. Sakaguchi hält ein winzig kleines Haus hoch, was nicht viel breiter als sein Daumen ist. Dieses Haus dient in der Spielwelt als begehbares Level: „Als ich dieses kleine Haus in den Händen hielt, fiel mir auf, dass es einen Schornstein gibt, eine Dachterrasse und andere Elemente, die zum Hochsteigen einladen. Es ist faszinierend, was für Gameplay-Ideen Dir kommen, wenn Du eine physisch anfassbare Welt vor Dir hast.“ Final-Fantasy-Charme in einer Sci-Fi-Welt, die von Maschinen beherrscht wird

„Als ich mal wieder Final Fantasy IV gespielt habe, dachte ich daran zurück, wie viel Charme eigentlich diese Welten hatten und wollte diesen leicht märchenhafteren Look zurückbringen.“ Entsprechend erinnern die Charaktere klar an Final Fantasy, etwa ein Mädchen mit kurzen, weißen Haaren und großen, ausdrucksstarken Augen. Und die Level haben etwas Märchenhaftes, mit ihren sehr weichen Linien. Hunderte dieser Objekte wurden gebaut, schließlich braucht jedes Haus eine Außen- und eine Innenperspektive. „Es gibt diese eine Stadt mit einem Tor, einer Brücke, zahlreichen Straßen. Hier musste jedes Haus von Hand gebaut werden, dann in diese Modell-Stadt gesetzt werden, in der man sich bewegt. Und wenn man ein Haus betritt, benötigen wir jeweils ein neues Modell, welches das Innenleben widerspiegelt – je nach Größe, können das auch mehrere Sets pro Gebäude sein.“ Diese Art, ein Spiel zu entwickeln, brachte den Final-Fantasy-Veteranen ganz schön ins Schwitzen, wie er erzählt: „Du muss sehr methodisch vorgehen und sehr viel mehr planen, als wenn Du mit CGI arbeitest. Ein Modell aus Holz, Glas, Styropor und anderen Materialien lässt sich nicht so ohne weiteres ändern, ohne es kaputt zu machen. Wir müssen also sehr viel mehr vorausdenken.“

Auch dauert der Bau eines Levels entsprechend lange, jenes Schloss, das uns Sakaguchi etwa zeigt, war drei Monate in Produktion. Der Aufwand ist enorm, weil zum Beispiel eine Wendeltreppe ein einzelnes Set sein muss, eine Küche, ein Thronsaal, eine Waffenkammer. Nicht minder schwierig sind diese eher futuristischen Level, etwa, als wir durch eine Anlage mit glühenden Leuchtstoffröhren laufen. Auch das wurde alles per Hand gebaut, mit echten Glühlampen, die in einer Art Turmfassung stecken und mit kleinen Holzbrücken verbunden sind. Die Geschichte hat durchaus den Sci-Fi-Touch von Final Fantasy: Die Story von Fantasian beginnt in einem Reich, das von Maschinen beherrscht wird. In diesem mehrdimensionalen Universum ist das Gleichgewicht von “Chaos und Ordnung“ ein Schlüsselfaktor im Kampf um die Reiche und die Machenschaften der Götter. Wir übernehmen die Rolle des Protagonisten Leo, der sich auf der Suche nach seinem vermissten Vater in dieser alternativen Dimension wiederfindet. Er hat nur eine Erinnerung, die an ein Mädchen namens Kina, die ihn zurück in das menschliche Reich bringt, in eine Stadt namens En.

Leo macht sich auf den Weg, um sein Gedächtnis zurückzugewinnen, und lüftet „die Geheimnisse der bizarren mechanischen Infektion, die langsam alles verschlingt, was der Menschheit bekannt ist“. Unterwegs engagiert Leo andere für seine Mission, darunter zwei drollige Roboter, die gerade Emotionen für sich entdeckt haben und an R2D2 und C3PO erinnern. Eine Prinzessin namens Cherly, die später mal Königin von Vibra werden soll. Und Zinikr, den grumeligen Kapitän des Luxusluftschiffs Uzra, der schon mit Leos Vater die Welt bereist hat. Fühlt sich das ein bisschen nach Final Fantasy an? Stilistisch schon sehr, gerade an die alten Teile, die ersten. Dafür sorgt auch der der fantastische Soundtrack. Final-Fantasy-Komponist Nobuo Uematsu überzeugt mit einer Mischung aus eingängigen Kampfmelodien und herzzerreißenden Stücken – wir alle denken sicherlich immer noch gerne an das Aeris Theme, als sie in die Welt der Toten übergeht. Oder Continue & The Prelude. Liberi Fatali. One Winged Angel. Und viele andere.

Hironobu Sakaguchi über die Welt der iPads und iPhones

30 Jahre designt Sakaguchi jetzt schon Spiele, darunter einige der größten RPGs aller Zeiten: Lost Odyssey, Blue Dragon, an jedem Final Fantasy war er beteiligt – als Producer, Creative Director. Er hat Geschichten geschrieben, Level designt, Charaktere konzipiert, Gameplay-Konzepte erdacht. Ein spannender Mensch, denn er hat viele Ären des Videospiels in führender Position erlebt: Das erste Final Fantasy haben wir noch auf dem NES gespielt. Oder dem drei Zoll großen Grasgrünen Screen des guten, alten Gameboy. Fantasian spielen wir jetzt auf dem iPhone oder gar dem iPad Pro, was satte 12,9 Zoll mitbringt und ein gestochen scharfes Liquid-Retina-Display mit 2732x2048er Auflösung. Der Gameboy hatte damals 160×144 Pixel, und wir fanden das damals alle super immersiv.

Wie hat Sakaguchi diesen Technologiewandel zu einer Generation erlebt, in der Mobile-Games auf Triple-A-Qualität angewachsen sind: „Ich benutze gerne diese Metapher eines Baumes, dem Äste wachsen, in die unterschiedlichsten Richtungen. Das Genre des Rollenspiels hat sich in viele Richtungen entwickelt – es gibt Open-World-RPGs, es gibt sogar Shooter-RPGs, es gibt JRPGs. Und dann ist plötzlich mit dem iPhone und dem iPad dieser neue Ast gewachsen, der war vor zehn Jahren noch recht dünn, es war diese neue Kategorie von Hardware, die wir erst kennenlernen mussten. Doch der Ast wurde dicker und dicker, heute ist iOS ein ganzes Ökosystem, was selbst unglaublich viele, kreative Verästelungen hat. So versuche ich Spiele zu sehen, als Kunst, die immer auch versucht, den Status Quo zu durchbrechen.“ „Als Fantasian entstanden ist, habe ich oft gedacht: Das geht besser, da gibt es neue Möglichkeiten. So ist zum Beispiel das Dimengeon-System entstanden – eine Wortkreation aus Dungeon und Dimension. Ich hatte das Gefühl, dass diese zufälligen Kämpfe den Fluss aus dem Erlebnis nehmen, wenn ich mit dem Finger über den Screen streiche. Es wirkte wie ein Show-Stopper. Also haben wir diese Mechanik entwickelt, womit wir Angreifer in diese andere Dimension verbannen und später dann alle gleichzeitig im Rundenkampf besiegen können.“ Er erinnert sich an ein japanisches Sprichwort: „Ein rollender Stein setzt kein Moos an.“ Mit fast 60 Jahren möchte Sakaguchi nur noch Spiele entwickeln, die ihn fordern, inspirieren und die Kunst des Videospiels nach vorne treiben. „Ich werde bis zum Release noch viele Fotos von den 150 Sets twittern, die in liebevoller Handarbeit entstanden sind. Wer Lust hat, folgt mir auf meiner Reise – https://twitter.com/mistwalker und https://twitter.com/auuo . Fantasian erscheint noch 2021 für Apple Arcade und damit i OS (iPhone, iPad), tvOS (Apple TV) sowie macOS.

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