Die Münchner Pinakothek der Moderne wird zwanzig und stellt sich neu auf

2022-10-08 21:20:58 By : Mr. Allen Shen

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Alle Farben dieser Welt: Blick in die neue Ausstellung der Pinakothek der Moderne mit Werken von Caroll Dunham, Tschabalala Self und Markus Selg Bild: Pinakothek

Münchner Crossover: Die Pinakothek der Moderne hat sich zum zwanzigsten Geburtstag einen neuen Auftritt spendiert. Was wird die Kundschaft dazu sagen?

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S o viel Aufwand für eine Party ist selten: Acht Monate umgeräumt, gestrichen, WLAN eingebaut für die neue App, sechs Kuratorinnen am Werk, die eine „vollständige Eliminierung der Chronologie“ angestrebt haben, wie Sammlungsleiter Oliver Kase bei der Präsentation der neuen Ausstellung „Mix & Match“ erklärte. Ein Paradox habe man verwirklichen wollen – „eine dynamische Dauerausstellung“, bei der – auch aus kuratorischen Gründen – alle drei, vier Monate Exponate ausgetauscht werden. Das Ergebnis kommt für Bernhard Maaz, den Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, einem „fundamentalen Paradigmenwechsel“ gleich.

Mit anderen Worten: In der Pinakothek der Moderne sollte kein Stein auf dem anderen bleiben. Mit Ausnahme von Joseph Beuys’ Installation „Das Ende des 20. Jahrhunderts“, deren vierundvierzig Steine nicht bewegt wurden. So ist Beuys einer der wenigen männlichen, weißen Großkünstler des vergangenen Jahrhunderts, der einen eigenen Raum behalten hat. Andere – Beckmann, Baselitz, Kiefer – mussten neuen Kolleginnen Platz machen. Mehr Video, mehr Fotografie, weniger Flachware. Zwanzig neu gestaltete Säle, 3600 Quadratmeter, dreihundertfünfzig Werke von hundertfünfzig Künstlern, 635 000 Euro Umbaukosten, die mithilfe vieler Sponsoren beglichen werden konnten. Das ist die Pinakothek auch: ein Beispiel bürgerschaftlichen Engagements. Mehr als zehn Prozent der Baukosten kamen seinerzeit aus privaten Geldbörsen.

Obwohl erst vor zwanzig Jahren eröffnet, ist die dritte Pinakothek nach Ansicht mancher Kunstkritiker immer „oldschool“ gewesen, und damit soll jetzt entschieden Schluss sein. Der „Gänsemarsch durch die Kunstgeschichte“ (Maaz) ist beendet, ab sofort geht es mit Riesenschritten in die Zukunft, auch mittels einer App (Deutsch, Englisch, einfache Sprache), mit der man nach eigenem Gusto auf Entdeckertour gehen kann. Ganz neu ist das Cross-over-Konzept nicht, aber unverkennbar Ausdruck einer Zeit, die mit großen Kinderaugen feststellt, dass die Menschheit sich regelwidrig gegenüber der Natur verhält.

Nun also Räume mit Themen, die das Publikum bewegen, Migration, Krieg, Klima und so fort. Benannt sind die Kabinette jeweils nach einer zen­tralen Arbeit: „Kämpfende Formen“, „Naked Nation“, „In the Forest“, „Höhere Wesen“, „Vor dem Maskenball“. Die Einführungen sind leider phrasenhafte Krisenprosa, etwa in der Station „Continuous Fire Polar Circle“: „Wir haben den nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen als eines der dringlichsten Zukunftsanliegen erkannt. Vor dem Hintergrund einer krisenhaften Gesamtsituation erscheint das traditionelle Motiv der Landschaft in der Kunst in neuem Licht.“

Wie darf man sich das vorstellen? Den Auftakt machen vier Kabinette in der Nordwestecke des Baus, Nummer eins heißt „Mädchen unter Bäumen“, titelgebend ist das berühmte Bild von August Macke aus dem Jahr 1914, Blickfang aber ist „Kindergarten Antonio Sant’Elia“, ein Video des Belgiers David Claerbout aus dem Jahr 1998, das zunächst wie ein Schwarz-Weiß-Foto wirkt; erst bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass sich die Blätter der Bäume im Wind bewegen. In Kabinett Nummer sechs „Lampedusa“ hängen Olaf Metzels gleichnamige Skulptur von 2015 und Alighiero Boettis „Mappa“ von 1980, eine Weltkarte als Teppich, diverse Grenzverläufe sehen heute schon wieder ganz anders aus. Gegenüber, die ganze Wand füllend, den Raum dominierend, Jeff Walls „A Villager from Aricagöyum arriving in Mahmutbey-Istanbul, September, 1997“, ein Schlitten von Beuys, Kokoschkas Gemälde „Die Auswanderer“ von 1916. In Saal neun stehen sich Mark Manders’ Installation „Silent Factory“ (2000) und Neo Rauchs Kolossalgemälde „Kalimuna“ (2010) gegenüber, Albert Renger-Patzschs Fotografien von Ruhrgebietslandschaften und Andreas Gurskys „Börse Hongkong“, dazwischen Benjamin Bergmanns „Leitung auf Putz“ (2012), über Eck ein Filzanzug von Beuys.

Die Vorzüge des Privatmuseums : Wer jetzt keins hat, baut sich eins

Der White Cube ist tot, aber nicht ganz. Alles offen, alles bereit für diverse Lesarten, für jüngere Besucher, die man nicht in einen Kanon zwingen will. Auf Widerspruch hat sich das Kuratorenteam eingestellt, er wird kommen. Gehört Hitlers Lieblingsmaler Adolf Ziegler mit dem Triptychon „Die Vier Elemente“ hierher, weil er Teil der Kunstproduktion der vergangenen hundertzwanzig Jahre ist? Weil er seinerzeit im nahen „Führerbau“ am Königsplatz hing? Qualitativ hätte die Sammlung sicher Besseres hergegeben. Im Alter von zwanzig Jahren ist die Persönlichkeitsentwicklung noch in vollem Gang. Wie hatte Sammlungsleiter Kase gesagt? Man sei ein westeuropäisch geprägtes, öffentliches Museum, das seine Position in einer globalisierten, digitalen Welt überdenke. Diesen Prozess bildet „Mix & Match“ ab.

Mix & Match. Die Sammlung neu entdecken. Pinakothek der Moderne, München. Bis zum 14. Januar 2024. Kein Katalog.

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