Ein Interview mit Ausnahmehotelier Ben Förtsch: „Altbauten können ganzheitlich nachhaltiger sein als Neubauten“ - Tophotel.de

2021-11-22 14:28:58 By : Mr. Tim Su

Ben Förtsch ist Inhaber des ersten klimapositiven Hotels Deutschlands. Mit dem nachwachsenden Hotelzimmer setzt der Jungunternehmer weitere Akzente in Sachen nachhaltiger Hotellerie. Im Interview mit Tophotel wägt der Hotelier des Creativhotel Luise ab, inwieweit ein ganzheitlicher, nachhaltiger Ansatz im Bestand erfolgreicher sein kann als im Neubau und erläutert die Rolle, die Glücksmaximierung in seinem Unternehmen spielt. 

Ben Förtsch ist Gastgeber und Geschäftsführer des Creativhotel Luise in Erlangen sowie Kreativberater. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der University of Sunderland und beschäftigte sich während seines Studiums auch mit dem Thema Glücksökonomie. Seit 2014 führt er das Nachhaltigkeitskonzept seiner Eltern hauptberuflich im Familienunternehmen weiter. (Bild: Creativhotel Luise) (Bild: Creativhotel Luise)

Herr Förtsch, Sie haben das erneuerbare Hotelzimmer entwickelt. Was war Ihre Inspiration für diese Entwicklung?

Das erneuerbare Hotelzimmer war mein erstes großes Projekt. Mir war es sehr wichtig, das Nachhaltigkeitskonzept meiner Eltern im Unternehmen weiterzuführen und gleichzeitig den neuen – meinen – Weg für das Hotel aufzuzeigen. Mein Ziel war es, etwas Neues zu schaffen. So außergewöhnlich, dass es auch für mich eine große Herausforderung wird.

Wie sieht dieses Hotelzimmer konkret aus?

Bei der Materialauswahl haben wir auf verantwortungsvolle Herstellungsverfahren und Umweltverträglichkeit geachtet. Das erneuerbare Hotelzimmer beispielsweise integriert Duschtechnik der NASA, die 90 Prozent Wasser und 80 Prozent Energie spart. Holzfreundliche Decken aus Stroh kommen ohne formaldehydhaltige Klebstoffe aus. Unsere zu 100 Prozent recycelbaren Teppichfliesen aus Fischernetzen sind langlebig und schalldicht. Da die Herstellung viel Energie erfordert, haben wir Metall durch Holz ersetzt. Schrauben werden reduziert oder durch Steckverbindungen und umweltfreundlichen Kleber ersetzt. Wer in einem klimapositiven Hotel übernachtet, produziert 58,6 Prozent weniger CO2 als anderswo.

Das nachwachsende Hotelzimmer soll so außergewöhnlich sein, dass es für seinen Entwickler Ben Förtsch zu einer großen Herausforderung wird. (Bild: Creativhotel Luise) (Bild: Creativhotel Luise)

Wie lassen sich Nachhaltigkeit und Ästhetik im Innenausbau mit einer sparsamen Budgetierung des Innenausbaus vereinbaren?

Indem man es ganzheitlich betrachtet. Das Design ist auch Marketing, die natürlichen Stoffe auch ein Wohlfühlfaktor. Wenn das Naturbett so bequem ist, dass sich die Gäste auf den nächsten Aufenthalt freuen, dann darf es etwas teurer werden. Die ökonomische Budgetierung vernachlässigt so viele weiche Faktoren, die wir einbeziehen. Nicht umsonst legen wir großen Wert auf die Umweltpsychologie. Letztendlich sind manche Materialien teurer, aber vieles lässt sich durch ein intelligentes Design kompensieren.

Bekommt, was es kann: Ben Förtsch sanierte das Zentralgebäude von 1975 zur KfW 45. (Bild: Creativhotel Luise) (Bild: Creativhotel Luise)

Ist ein ganzheitlich nachhaltiges Hotel mit Hotelneubauten einfacher zu realisieren als mit dem Umbau bestehender Gebäude?

Es ist eine Frage Ihrer eigenen Philosophie. Ich bin der Meinung, dass ein Altbau in der Regel ganzheitlich nachhaltiger sein kann als ein Neubau. Wieso den? Denn die Substanz existiert bereits. Natürlich kann ein Neubau bessere Werte erreichen und energieeffizienter betrieben werden. Doch kaum eine Analyse oder Zertifizierung berücksichtigt die enorme energetische Belastung beim Bau eines Gebäudes, oft nur das Endergebnis. Wir haben nun versucht, unseren Mittelbau von 1975 zur KfW 45 zu sanieren - versucht, weil die endgültigen Werte noch ausstehen (Anm. der Redaktion: KfW-Werte definieren die unterschiedlichen KfW-Effizienzhaus-Standards). Manche mögen den Kopf schütteln – warum nicht noch einmal versuchen? Um es ganz klar zu sagen: "Alt aber Gold". Was wir bekommen können, versuchen wir zu behalten. Egal ob Natur, Arbeitsplätze oder das Gebäude.

Können die Ansätze vom Creativhotel Luise vervielfacht werden? Wenn ja, in welcher Form?

Unsere Konzepte sind kein Geheimnis, wir teilen unsere Ideen und möchten sie flächendeckend vervielfältigen. Mit meinem Unternehmen möchte ich ein fester Bestandteil der nachhaltigen Hotellerie und einer umweltfreundlicheren Zukunft sein. Mit dem Creativhotel als Leuchtturm wollen wir anderen helfen, soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen. Daher würde ich mich sehr freuen, den Wettbewerbern unseren Weg zu zeigen und sie mitzunehmen. Wie so etwas konkret aussehen würde, hängt sicherlich ganz vom jeweiligen Unternehmen ab. Seien es Strategieworkshops, eine Analyse der Ist-Situation oder einfach eine Auflistung der von uns eingesetzten Produkte – mein Team und ich helfen gerne weiter.

Für viele Verbraucher oder Gäste bedeutet Nachhaltigkeit noch immer Verzicht auf Kosten einerseits oder Mehrkosten andererseits. Trifft eines davon auf Ihr Angebot im Creativhotel zu? 

Nein, denn Nachhaltigkeit bedeutet auch Qualität. Unsere Preise sind wettbewerbsfähig und wir bieten Mehrwert statt Mehrkosten. Verzicht ist für uns in Sachen Nachhaltigkeit ein No-Go. Klar, es ist eine Abwechslung, aber bitte ohne auf die Freuden des Lebens zu verzichten! Der große Vorteil für uns: Wir wollen nicht den Gewinn maximieren, sondern das Glück maximieren. Denn: glücklichere Menschen, mehr Leistung, mehr Wert. Während meines Studiums habe ich das Thema Glücksökonomie in einem Kurs vorgestellt. Das klingt seltsam, wird aber im wirklichen Leben bereits verwendet. Und wir alle kennen es: Der schöne Stadtpark um die Ecke, die Atmosphäre in einer Altstadt – das alles können viele Menschen nicht mit einem bestimmten Wert beziffern und doch: Es macht all das um uns herum und beeinflusst unser Glücksgefühl.

Um unsere Gäste aktiv in unser Tun einzubeziehen, übernehmen wir einerseits Verantwortung für sie, teilen aber auch unseren Erfolg mit ihnen. Dies gelingt uns insbesondere durch unsere stark wirtschafts- und umweltpsychologisch ausgerichtete Kommunikation. Die Unterschiede zwischen unserer Kommunikation und der „konventionellen“ Kommunikation in der Hotellerie sind subtil, haben aber Wirkung. Konkretes Beispiel: Statt „Das Hotel spart 80 Prozent Müll“ schreiben wir: „Mit Ihrer Unterstützung sparen wir gemeinsam 80 Prozent Müll, danke!“ Ein weiteres Beispiel sind unsere Schilder, die dazu einladen, die Handtücher wiederzuverwenden, etwas anders als viele Mitbewerber.

Die Gästekommunikation im Creativhotel Luise basiert auf den Prinzipien der Wirtschafts- und Umweltpsychologie. (Bild: Creativhotel Luise) (Bild: Creativhotel Luise)

Was wünschen Sie sich von Kollegen und Mitbewerbern am Markt, damit die gesamte Branche dem Ziel einer nachhaltigen Unternehmensführung näher kommt?

Aufwachen. Wir alle haben so viel im Kopf, wir machen uns Sorgen um die morgige Bestellung oder die Arbeitsbelastung in den kommenden Wochen. Alles ist berechtigt und manchmal erschreckend. Das bedeutet jedoch nicht, dass Sie aufhören sollten, sich weiterzuentwickeln oder sich neuen Herausforderungen zu stellen. Mir ist schon oft aufgefallen, dass eine (weitere) neue Aufgabe schnell ein paar alte Probleme in Luft auflöst. Aber wir alle bleiben oft in unserer Komfortzone und fühlen uns in unserer eigenen Blase zu wohl. Und dann werfen uns Corona oder eine Umweltkatastrophe plötzlich aus der Bahn, weil wir in unserer Blase leben oder gelebt haben. Erst wenn es uns gelingt, der Versuchung zu widerstehen, wieder in unsere eigene Blase einzutauchen, können wir gemeinsam ein Denkmal für nachhaltige Hotellerie setzen.

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