Nischenprodukte aus Sachsen erobern die Welt! Wenn sich Beharrlichkeit und Qualität auszahlen | TAG24

2022-08-13 14:48:04 By : Ms. Mavis Liu

Auch 30 Jahre nach der Wende werden beliebte DDR-Produkte noch hergestellt, viele davon kommen aus Sachsen!

Sachsen - Wir kennen und lieben sie alle - die widerstandsfähigen Kokosmatten-Abstreicher vor der Haustür, die meist graumelierten Filzpantoffeln oder die äußert stabilen und standfesten Holzstative. Auch 30 Jahre nach der Wende werden sie alle noch hergestellt - in Sachsen!

Und alle haben sie teils hochkarätige Abnehmer, auch wenn sie inzwischen in Euro statt in DDR-Mark bezahlt werden müssen. Wir stellen die drei Marken stellvertretend für viele Firmen vor, deren Produkte die DDR überlebten und bis heute erfolgreich sind.

Natur-, Astro- und Tierfotografen schwören auf sie: Berlebach-Holzstative aus Mulda (südlich von Freiberg). Vor der Wende belieferte die Firma den gesamten Ostblock, war in der DDR als VEB Foto-Kino-Zubehör (70 Angestellte) bekannt.

Auch nach Frankreich und in die Benelux-Staaten wurde exportiert. Sogar der Münchner Tierfilmer Heinz Sielmann (†89, "Expeditionen ins Tierreich") nutze die DDR-Stative.

"Sie werden ausschließlich aus Eschenholz gefertigt", sagt Inhaber Wolfgang Fleischer (75). "Es ist nicht nur widerstandsfähig gegen Umwelteinflüsse, sondern auch biegsam und bruchfest." Das macht sie zwar schwerer als Alu- oder Kohlefaserstative, aber sie sind dafür standfester.

Außerdem hat die TU Dresden herausgefunden, dass Holzstative Schwingungen besser dämpfen. Fleischer: "Das ist besonders für schwere Teleobjekte und Astro-Fotografen wichtig, die ihre Bilder mehrere Stunden lang belichten."

Das Unternehmen wurde 1898 von Peter Otto Berlebach gegründet, exportiere bereits 1906 Stative nach England. 1972 wurde die Stativ-Schmiede zwangsverstaatlicht. 1993 kaufte sie Wolfgang Fleischer, der seit 1957 in der Firma arbeitet.

Heute macht er mit 15 Angestellten einen Jahresumsatz von einer Million Euro. Berlebach-Stative (Einstiegspreis: 100 Euro) werden in über 40 Länder exportiert. Für das Luxushotel Burj al Arab in Dubai lieferten die Sachsen für jedes Zimmer Holzstative für Teleskope. Weitere Infos: berlebach.de

Zu DDR-Zeiten lagen sie gefühlt vor jeder Wohnungstür: Kokos-Abstreicher aus Olbersdorf in der Oberlausitz. "Heute sind wir die einzige Kokoshandweberei in Europa", sagt Geschäftsführer Mario Hilger (58).

Einst waren hier bis zu 54 Menschen - meist Textilfacharbeiter - beschäftigt. Heute sind es vier. Vor der Wende verließ jede Woche ein voll beladener Robur-Lkw (made in Zittau) die Firma. Jahresumsatz heute: 150.000 Euro.

"Jedes Jahr Ende April kommen 22 Tonnen gepresste Kokosballen aus Indien in zehn verschiedenen Farben an", sagt Hilger. "Weil die auch schon vor der Wende in Dollar bezahlt werden mussten, wurden die Kokosfasern damals mit kostengünstigen Polypropylen-Kunstfasern gestreckt."

Heute ist alles öko. Inzwischen liegen die sächsischen Matten (ab 8 Euro) und Läufer im Hotel Zoo am Berliner Kurfürstendamm, im Dresdner Albertinum, in der Kathedrale von Caracas (Venezuela) oder in der Zittauer St. Johanniskirche.

Auch der Rote Teppich für Staatsempfänge am Flughafen Düsseldorf ist aus Olbersdorf. Hilger: "Kürzlich gab Ministerpräsident Michael Kretschmer (44) hier persönlich Maß-Matten für sein Privathaus im Zittauer Gebirge in Auftrag."

Tipp: Bei Fußmattenwebkursen (2 Stunden, 25 Euro, auf Bestellung) kann man aus Kokosfasern selber Türmatten, Kokosläufer oder Fußmatten fürs Auto weben. Weitere Infos: kokosweberei-hilger.de

Schaut mal an Euch herunter: Habt Ihr auch gerade die guten alten DDR-Filzpantoffeln an? Die kommen seit 133 Jahren unverändert aus der Filzwarenfabrik Georg Dimmel in Eibenstock.

Heute leitet Karin Dimmel (59) den Betrieb ihres Urgroßvaters, fertigt jährlich bis zu 7 000 Paar Filzschuhe in vierter Generation.

"Wir verwenden zu 100 Prozent Wollfilz. Der nimmt Feuchtigkeit auf, wärmt im Winter und kühlt im Sommer", beschreibt die Inhaberin die Vorteile ihres Verkaufsschlagers. Das Schafwoll-Tierhaargemisch kommt von zwei Firmen - aus Wurzen und Soltau.

Die Filzpantoffeln (meist unter 30 Euro) gibt's in sieben Farben - von Graumeliert ("läuft am besten") bis Rot oder Maigrün. Man kann sich sogar Namen einsticken lassen.

Inzwischen werden sie bis nach London, Argentinien und Japan verschickt. Aber auch Werften kaufen Überpantoffeln für Innenarbeiten auf Kreuzfahrtschiffen. Oder es kommen Kunden mit Parkettfußböden. "Denn die Wollfilzlaufsohle ist rutschfest, poliert beim Laufen und dämpft den Trittschall", weiß Dimmel.

"Sogar Wirtschaftsminister Martin Dulig war hier, um Filzpantoffeln für die ganze Familie einzukaufen." Weitere Infos: dimmelwalker.de