Francis Bacon und sein Essay über den Garten

2022-07-30 11:59:46 By : Ms. Shero Wang

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Englischer Rasen im Brentford Community Stadium, London Bild: Imago

Von Nistplätzen, Glockentürmchen, Springbrunnen und einem großen grünen Teppich: Im frühen 17. Jahrhundert entwarf Francis Bacon das Ideal des englischen Gartens.

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E r ist für ein geflügeltes Unwort bekannt: „Wissen ist Macht.“ Der englische Renaissance-Philosoph Francis Bacon (1561 bis 1626) hat seine Macht als Lordkanzler Jakobs I. aber nicht lange genießen können: 1621 wurde er vom Parlament wegen Bestechlichkeit gestürzt. Also zog er sich zurück auf seinen Familiensitz Gorhambury in Herfordshire und polierte seine Essays. Die ersten zehn hatte er schon 1597 im Kielwasser Montaignes veröffentlicht, 1625 folgten weitere 58, darunter der Essay „Of Gardens“, die erste bedeutende Schrift zur Gartenkunst in englischer Sprache. „Gott der Allmächtige pflanzte zuerst einen Garten, und in der Tat ist dies die reinste aller menschlichen Freuden“, hebt der Text an, als wollte sich der Verfasser und abgeblitzte Höfling damit trösten. Eine monotone Aufzählung der anzubauenden Pflanzen im Jahreskreis folgt.

Das soll ein Essay sein? Doch der geistreiche Bahnbrecher von der Renaissance zur Aufklärung setzte seine Lehre von der Herrschaft des Menschen über die Natur und seinen Glauben an die empirischen Wissenschaften als „Interpretationen der Natur“ auch in seinem Essay über die Gartenkunst fort. Der einstige Parlamentsredner übertrug seine triadische Rhetorik auf die Anlage des fürstlichen Gartens. Denn einen Cottage Garden hatte Bacon noch nicht im Sinn, sondern die repräsentativen Gärten seiner Vorläufer und Zeitgenossen: Wolseys Garten in Hampton Court etwa, den Heinrich VIII. nach dem Tod seines Kardinalministers an sich zog, oder den Garten Baron Burleighs, Staatssekretär Elisabeths I. und matrilinear mit Bacon verwandt. Die italienischen Humanisten hatten die geometrischen Linien vorgezeichnet. Walter Raleigh und Francis Drake, die Freibeuter ihrer Majestät, brachten exotische Pflanzen aus Übersee mit.

Groß sollte er sein, dreißig acres, also rund zwölf Hektar oder 120 000 Quadratmeter. Dabei maß Kenilworth, wo Elisabeths Günstling Lord Leicester gärtnern ließ, nur einen acre. Maßlos wie sein politischer Ehrgeiz war Bacons grünes Repräsentationsbedürfnis. Drei Abteilungen sollte sein Idealgarten haben: „eine Rasenfläche am Eingang, eine Heide oder Wildnis im Hintergrund und in der Mitte der Hauptgarten. Außerdem Alleen zu beiden Seiten.“ So wurde Bacon zum Erfinder des englischen Rasens: „weil nichts dem Auge wohltuender ist als wohlgeschorenes grünes Gras“ - das im atlantischen Klima üppig gedieh. Der Rasenplatz sollte das damals übliche verschnörkelte Parterre ersetzen. Eine Baumallee sollte ihn zentrieren, zwei schattige Gänge ihn flankieren. Bacons „Heide“ glich mit ihren Maulwurfshügeln, bepflanzt mit Thymian, Veilchen und Bärenklau, einem Vorläufer des heutigen Naturgartens. Seine Zeitgenossen wussten mit dieser künstlichen Wildnis aber nichts anzufangen.

Der doppelt so große quadratische „Hauptgarten“ sollte von einer gewölbten Hecke auf blumenübersäter Böschung umgeben sein, mit Bogen und Glockentürmchen. Bacon mochte keine „Figuren, die aus Wacholder oder anderen Gartensträuchern ausgeschnitten werden; das ist etwas für Kinder.“ Säulen und Pyramiden gefielen ihm, Springbrunnen schätzte er. „Teiche dagegen verderben das Ganze und machen den Garten ungesund.“ Wasser solle fließen, anstatt Fäulnis zu verbreiten wie im Teichgarten von Hampton Court. Niedrige Hecken – Buchs war 1595 in England eingeführt worden – sollten die Beete umschließen. Vielleicht dachte Bacon an den „Knotengarten“ italienischer Provenienz. Lauben mit Sitzplätzen plante er auch. Im Zentrum imaginierte er einen „gefälligen Hügel“ mit drei Aufgängen und einem Lusthaus als Krönung. An den schattigen, kiesbedeckten Seitenalleen sollten Obstbäume wachsen, denn der Obstgarten als solcher war von Italien noch nicht nach England vorgedrungen. Vogelhäuser missfielen dem Gartenplaner, geräumige, mit Pflanzen ausgestattete Volieren ließ er gelten, „damit die Vögel mehr Platz und natürliche Nistplätze haben und sich keine Fäulnis auf dem Boden sammelt“.

Hier schreibt der Vorläufer der modernen Hygiene, der offenbar mehr Empathie für Vögel als für seinen Freund Earl of Essex hatte, den er in einem Hochverratsprozess an die Queen verriet. Bacon, der Höfling, wollte nach oben. Bacon, der forschende Philosoph, wollte die Menschheit durch exakte Wissenschaften befreien und das Paradies experimentell zurückgewinnen.

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Auch Gartenwissen war für ihn Macht: über die Natur. Schon 1586 hatte William Harrison, Herausgeber der Holinshedschen Chronik, kommentiert: „So einsichtig und geschickt sind unsere Gärtner heutzutage, dass sie meinen, sie könnten mit der Natur umspringen und ihr den Lauf der Dinge vorschreiben, als wären sie ihre Herrscher...“ Ein Gärtner wie Voltaire war Bacon nicht, eher ein Gartenvisionär, der das Paradies fünfzig Jahre vor Milton wiedergewinnen wollte – aus dem hybriden Geist der Selbstermächtigung.

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