04.05.2022: Brauner Teppich ausgerollt (Tageszeitung junge Welt)

2022-05-21 18:59:08 By : Ms. Sina Lee

Neben der traditionellen DGB-Demonstration zum Westfalenpark, an der sich zahlreiche linke Gruppen und Initiativen beteiligten, hat am diesjährigen 1. Mai in Dortmund auch die durch Wegzug und Haftstrafen geschwächte Neonaziszene einen weiteren Anlauf unternommen, ihre demagogischen Parolen am Internationalen Kampftag der Arbeiterklasse in der Ruhrgebietsmetropole zu verbreiten.

Großspurig hatten lokale Kader der Splitterpartei »Die Rechte« für den Vorabend auf ihrem Telegram-Kanal einen »Kongress Fortress Europe« mit Beteiligung von Gleichgesinnten aus weiteren europäischen Ländern angekündigt, der sich gegen »Antinationale und Globalisten« richten sollte. Dabei handelte es sich um eine geschlossene Veranstaltung, über die Teilnehmerzahl ist nichts bekannt. Am 1. Mai versammelten sich dann rund zweihundert Neonazis am Dortmunder Hauptbahnhof. Der Aufmarsch verspätete sich um fast zwei Stunden und konnte erst gegen 14 Uhr starten. Grund war laut Einsatzleitung der Polizei die Ausrüstung der Rechten. Es sei verboten, durch »paramilitärisches Auftreten Gewaltbereitschaft zu vermitteln und dadurch einschüchternd zu wirken«. Die Rechten mussten nach längerer Diskussion viele Reichsflaggen entfernen. Die Anzahl wurde auf 20 Fahnen beschränkt.

Ansonsten wurde den Neonazis wie gewohnt der braune Teppich ausgerollt. Ein Großaufgebot der Polizei mit schwerem Gerät sorgte für die Durchsetzung des Aufmarsches durch die eher studentisch und migrantisch geprägten Stadtteile Kreuz- und Unionviertel. Dort hat »Die Rechte« trotz der räumlichen Nähe zum angeblichen Nazikiez Dorstfeld nicht den Hauch von Unterstützung, auch die AfD erreicht bei Wahlen nur einen Bruchteil des stadtweiten Ergebnisses. Die Aufmarschroute dürfte daher als gezielter Affront gewertet werden. Der gesamte Aufmarsch an diesem Datum sei eine Provokation, befand auch Helmut Manz vom »Bündnis Dortmund gegen Rechts«, das unweit der Wegstrecke der Rechten eine Kundgebung angemeldet hatte. Im Gespräch mit junge Welt erklärte er am Sonntag nachmittag, es sei doch bekannt, dass am 2. Mai 1933 die Gewerkschaften zerschlagen wurden und auch genau darauf angespielt würde. Von daher sei die Genehmigung mit Blick auf den historischen Hintergrund absolut unverständlich. Im Vorfeld hatte das Bündnis gemeinsam mit dem Netzwerk ATTAC, linken Parteien und Jugendverbänden in einer Erklärung erfolglos ein Verbot des Aufmarsches zu erwirken versucht.

Auch das Bündnis »Blocka Do« rief zu Protesten auf und hatte im Vorfeld angekündigt, sich vom neuen Versammlungsgesetz in NRW nicht vom Stören des Neonaziaufmarsches abhalten lassen zu wollen. Als sich eine größere Gruppe von der »Blocka Do«-Kundgebung der bekanntgewordenen Marschroute der Rechten nähern wollte, wurde sie von der Polizei mit Schlagstöcken und Pfefferspray angegriffen. Mindestens eine Person erlitt dabei schwere Verletzungen und musste im Krankenhaus behandelt werden.

Mit den Protesten zeigte sich das Bündnis »Blocka Do« am Ende sehr zufrieden. »Nirgendwo konnten die Nazis ungestört ihre Propaganda loswerden, überall war großer, kreativer Gegenprotest am Start«, resümierte die Dortmunder Antifaschistin Iris Bernert-Leushacke für das Bündnis am Sonntag abend die Protestaktionen gegenüber jW. Der Polizeieinsatz der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten gegen den Protest der Nazigegner sei völlig unverhältnismäßig gewesen. Die Mobilisierung der Neonazis sei eine schwache Leistung, dennoch dürfe die sich im Wandel befindende Szene keineswegs unterschätzt werden.

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