Refrath/Hand: Die Neuen, die auf dem Teppich bleiben « Harzhelden.news

2022-08-08 15:58:39 By : Mr. Arvin Liu

Ihr kennt einen echten Harzhelden, dessen Geschichte unbedingt alle hören sollten? Euer Team ist etwas ganz Besonderes – auch ohne Meisterschaft? Oder gibt es ein Handball-Thema, über das ihr gerne mehr erfahren möchtet?   Für alle Fragen, Anregungen und auch Kritik sind wir dankbar und rund um die Uhr erreichbar:   Schreibt uns an redaktion@harzhelden.news

Obenauf: Am 21. Mai waren Lattenbesetzer Lennart Niehaus und die gesamte HSG Refrath/Hand am Ziel ihrer Träume angekommen. (Foto: Thomas Schmidt)

Christopher Braun ist natürlich einer, der ganz vorne steht. Als Sportlicher Leiter der HSG Refrath/Hand, als Vorsitzender des Fördervereins und inzwischen längst auch wieder als Trainer der ersten Männer. In den Vordergrund mag er sich aber nicht drängen und schon gar nicht mag Braun – obwohl er natürlich entscheidend damit zu tun hat – die Resultate der vergangenen Jahre für sich alleine reklamieren. Braun ist eher das, was im neuen Deutsch unter der Bezeichnung „Teamplayer“ durchgeht. Woraus sich ganz logisch ergibt, dass für ihn nicht zuletzt der jüngste Erfolg auf die Arbeit vieler zurückzuführen ist. Besonders deutlich erkennen ließ sich das am 21. Mai, als die Oberliga Mittelrhein ihr ganz besonderes Finale hatte – von dem alle, die es miterlebt haben, vermutlich noch lange erzählen werden. Die HSG gewann beim großen Titelkonkurrenten TSV Bayer Dormagen II nach meist dramatischen 60 Minuten mit 33:30 und verwandelte anschließend die Halle und den Vorplatz in eine große rot-schwarze Partymeile. Mittendrin: Christopher Braun, gleichermaßen gekennzeichnet von den Strapazen der Partie und von den folgenden feucht-klebrigen Duschen aus Sekt oder Bier. Gut zwei Monate sind seitdem vergangen und die Stunden danach immer noch eine schöne Erinnerung. Aber die HSG hat längst den Schalter umgelegt – für die neuen Herausforderungen in der Regionalliga, für den Versuch, sich dort zu behaupten. Die Refrather sind ganz eindeutig gekommen, um zu bleiben. Und gleichzeitig ist dies das einzige Ziel: „Wir wollen nicht absteigen.“

Der Weg nach oben begann vor einigen Jahren in der Kreisliga und der Aufzug fuhr hintereinander sogar steil aufwärts – 2014/2015 mit dem Sprung in die Landesliga, 2015/2016 mit dem in die Verbandsliga, 2016/2017 mit dem in die Oberliga. Dort gab es am Ende der ersten Saison 2017/2018 unter der Regie des neuen Trainers Mario Jatzke den durchaus guten vierten Rang, ehe es im Grunde mit den erfahrenen Jonathan Benninghaus (32/zuletzt TSV Bayer Dormagen) und Michael Wittig (33/Longericher SC) mindestens ein Stück weiter vorwärts gehen sollte. Die Mannschaft musste aber besonders die beiden Top-Teams HC Gelpe/Strombach und Pulheimer SC aufgrund fehlender Konstanz doch aus einiger Entfernung betrachten. Jatzke machte sich Gedanken – und dann am Anfang des Jahres 2020 den Weg für einen neuen Impuls frei. Was er da noch nicht wusste: Sein zum Saisonende geplanter Abschied kam viel früher als geplant, weil die Serie nach dem 34:26 am 7. März 2020 beim Longericher SC II nach 19 von 26 Spieltagen abgebrochen wurde. Die Lösung für die Nachfolge: Christopher Braun, der ja im Grunde nie weg war, kam zurück. Seit dem Sommer 2020 führt er die erste Mannschaft zusammen mit Dennis Marquardt, dem ehemaligen Profi und Athletik-Spezialisten. Der Einstieg für beide und die gesamte Mannschaft war famos: Vier Spiele, 8:0 Punkte. Ihr Pech: Aus dem Traum vom möglichen Weg in die Regionalliga konnte wieder nichts werden, weil die Serie 2020/2021 pandemiebedingt früh abgebrochen wurde und es damit keinen Aufsteiger gab. Alle Hoffnungen richteten sich nun auf die Saison 2021/2022, in der alles besser werden sollte – und vieles tatsächlich besser wurde. 

Dort sammelte die Mannschaft in der Einfachrunde 27:3 Punkte für den ersten Platz, der – wie erwartet – ein Dreikampf mit dem Pulheimer SC (26:4) und dem TSV Bayer Dormagen II (24:6) wurde. Gegen die Dormagener gab es am zweiten Spieltag ein 22:22, gegen die am Anfang des Jahres fast entfesselt wirkenden Pulheimer ein 27:31. In den Duellen mit vielen anderen drehte es sich hin und wieder eher darum, wie hoch der Sieg ausfallen würde – selbst in der folgenden Meisterrunde. Vier Mal gewann Brauns Team mit mehr als zehn Treffern Differenz und auch die zu diesem Zeitpunkt längst völlig aus dem Tritt geratenen Hornets waren beim 34:22 chancenlos. Der Sieg in Dormagen veredelte dann eine aus Refrather Sicht traumhafte Serie, in der die Mannschaft unter dem Strich den verdienten Lohn erntete – für Leidenschaft, für Einsatz, für spielerisches Vermögen, für Zusammenhalt und Teamgeist. Gut die Hälfte der mehr als 600 Zuschauer waren dabei die paar Kilometer aus Refrath mitgekommen, um ihrer HSG den Rücken im Kampf um den größten Handball-Erfolg in der Vereinsgeschichte zu stärken. Und sie sorgten immer wieder für eine echte Heimspiel-Atmosphäre. 

Einer der größten Trümpfe war die Mischung im Kader – mit Routiniers wie Benninghaus, Wittig und den Keepern Stephan Vatter (28) und Oliver Kierdorf (36), aber auch mit jungen Leuten aus den eigenen Reihen wie Sebastin Faust (23), Moritz Merz (22), Jan Schallenberg (21) und Lennart Niehaus (23). Dass Linkshänder Niehaus, im Finale mit zwölf Treffern und besonders wertvollen Toren in der entscheidenden Phase, immer noch im Trikot der HSG unterwegs ist, sehen sie in Refrath/Hand als besonders Beweis des gegenseitigen Vertrauens. Niehaus, mit 186 Toren aus 22 Spielen (Durchschnitt 8,45) der beste Werfer in der Oberliga Mittelrhein, hätte angesichts immer wieder auf dem Tisch liegender Angebote anderer Klubs längst wechseln können – entschloss sich allerdings jedes Mal, zu bleiben. In der Summe ergibt sich daraus, dass die HSG über einen eingespielten Kader verfügt. Und viele Spieler sind gleichzeitig noch nicht am Ende ihrer Entwicklung angekommen.

Flüssigkeitszufuhr: Sebastian Faust, Trainerkollege Dennis Marquardt und Jan Schallenberg (von links) hatten damals viel Spaß, als Trainer Christopher Braun anders duschen durfte. Inzwischen ist wieder harte (Vorbereitungs-) Arbeit angesagt. (Foto: Thomas Schmidt)

Die Wechsel im Bereich des spielenden Personals halten sich auch diesmal in Grenzen. Gar nicht mehr zur Verfügung steht nur Regisseur Christoph Gelbke (33), dessen Aushilfsdienst von vornherein zeitlich eingegrenzt war. Kapitän Benninghaus, der schon nach dem Triumph in Dormagen überlegt hatte, sich aus dem aktiven Geschäft zurückzuziehen, bleibt der HSG nun im eingeschränkten Umfang erhalten – um die anderen von seinem reichhalten Schatz an handballerischem Wissen teilhaben zu lassen. Unter dem Strich deutet sich für Braun damit trotzdem eine Art Wende an: „Wir befinden uns in einem leichten Umbruch.“ Auf der Habenseite stehen andererseits zwei neue Leute: Linkshänder Philip Thißen (23) kommt vom badischen Verbandsligisten SG Odenheim/Unteröwisheim, Rückraumspieler Jan Speckmann (23/TSV Bayer Dormagen II, Leichlinger TV) kennt sich in der Gegend sogar bestens aus. Mehr wird sich nicht tun: „Wir wollen so wenig wie möglich verändern.“

Krass verändern werden sich allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit die sportlichen Anforderungen. „Es geht jetzt nicht mehr um die Frage, wie hoch wir jede Woche gewinnen“, findet Christopher Braun. Und fast lautlos schiebt er hinterher: „Endlich.“ Mannschaft und Umfeld brauchen seiner Meinung nach die höheren Hürden in der neuen Umgebung, um sich gemeinsam weiterzuentwickeln. Relativ gut meint es in diesem Zusammenhang der Spielplan, denn die zumindest theoretisch ganz großen Hürden kommen erst relativ spät. Refrath beginnt beim HC Weiden (3. September), gegen die TSV Bonn rrh. (11. September), beim HSV Gräfrath/Donezk (17. September), gegen den OSC Rheinhausen (23. September) und bei der SG Langenfeld (1. Oktober). Braun glaubt jedoch, dass dieses Programm richtig schwierig ist: „Vielleicht ist der eine oder andere Gegner dabei, gegen den du gewinnen solltest. Das erhöht den Druck.“ Über allen – zumindest theoretisch – thront auch nach Brauns Ansicht der Dauer-Titelfavorit Interaktiv.Handball, bei dem er ebenso andere Möglichkeiten sieht wie beim TV Korschenbroich. „Das ist eine sehr spannende Liga. Die Jungs haben unheimlich Bock darauf“, sagt der HSG-Coach, der sich vermutlich den 13. Mai 2023 im Kalender besonders auffällig markiert hat. An diesem Tag steigt gegen die Korschenbroicher das Saisonfinale in der Regionalliga. Braun wird bestimmt wieder in der ersten Reihe stehen. Dass dort das Risiko für eine feucht-klebrige Dusche aus Sekt und/oder Bier besonders groß ist, wird er gerne in Kauf nehmen – wenn es denn mit dem Klassenerhalt geklappt hat. 

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